Equal Care Day 2024 – die „Last der Verantwortung“ gerecht verteilen

Aktuelles
Equal Care Day 2024 am, 29. Februar 2024

Das EQUAL CARE DAY

DER EQUAL CARE DAY

Sie gehören zu denen, die pflegen, versorgen und sich kümmern? Um Kinder, die Nachbarin oder pflegebedürftige Mitmenschen? Sie machen das privat, beruflich, politisch, in einem Interessenverband,
einer Einrichtung oder Organisation? Im eigenen Haushalt oder Ehrenamt … mehr schlecht als recht oder gar nicht bezahlt? Dann ist der Equal Care Day auch Ihr Tag!

Die Initiative Equal Care Day bietet allen, die im Umfeld Care und Pflege, Familienarbeit, Mental Load und Geschlechtergerechtigkeit aktiv sind, die Möglichkeit, sich gemeinsam zu engagieren, Ursachen und Fehlentwicklungen zu diskutieren und Lösungsansätze zu entwickeln.

CAREARBEIT …

… sie beginnt mit der Geburtshilfe, meint aber auch Erziehungs- und Betreuungsberufe, Kranken- und Altenpflege, genauso wie die Arbeit im Haushalt und in der Familie, bis hin zur Grabpflege. Die Gemeinsamkeit: Viel Verantwortung, wenig Wertschätzung.

WARUM AM SCHALTTAG?

Der 29. Februar wird in drei von vier Jahren übergangen, nicht gesehen … so wie Care-Arbeit häufig auch. Dazu kommt, dass es vor allem Frauen sind, die diese Aufgaben übernehmen. Ob im Beruf, in der Familie oder im Ehrenamt: Über 80% der Sorgearbeiten leisten Frauen.

Sie tragen also viermal so viel bei wie Männer. Der Aktionstag macht deshalb am Schalttag darauf aufmerksam, dass Männer vier Jahre lang für dieselbe Menge an Care-Arbeit brauchen, die Frauen in nur einem Jahr leisten. Obendrein wird das oft als private Entscheidung abgetan und deshalb gar nicht als Arbeit gewertet.

WIRTSCHAFT IST CARE

In wirtschaftlichen Berechnungen zur Wertschöpfung taucht unbezahlte Care-Arbeit gar nicht erst auf.

Dabei gibt es ohne Care-Arbeit kein Leben, kein Miteinander. Ab Tag eins brauchen wir Menschen, die sich um uns kümmern: beim Aufwach(s)en, beim Essen und Einschlafen, beim Laufenlernen, beim Hinfallen und beim ersten Liebeskummer.

Ohne Care-Arbeit könnten wir, kaum auf der Welt, nicht überleben. Ohne Care-Arbeit würden wir nur
alt aussehen, aber niemals alt werden.

MITMACHEN

Dass Care-Arbeit so unfair verteilt und wenig beachtet ist, wollen wir nicht länger hinnehmen, im Interesse aller Geschlechter!

Aktionstag bedeutet, es gibt verschiedene Möglichkeiten mit einzusteigen:

» Sich für eine Veranstaltung am 29. Februar mit uns zusammenschließen (in den Zwischenjahren
am 1. März), teilnehmen, sich informieren, fortbilden, netzwerken und mitfeiern

» Am eigenen Ort eine Veranstaltung organisieren, die wir in den CareDay-Kalender aufnehmen:
equalcareday.de/kalender

Austausch und Vorschläge dazu über die Website
equalcareday.de/mitmachen

» Über unsichtbare Care-Arbeit, EqualCare und den CareGap schreiben #EqualCareDay

» Einen Menschen aus dem persönlichen Umfeld vorstellen für die Galerie der unsichtbaren Arbeit:
unversichtbar.de #unverSichtbar

» Die Initiative durch eine Spende unterstützen:
Spendenkonto Triodos Bank: klische*esc e.V.,
IBAN: DE 16 5003 1000 1058 8710 08

Für den englischen Begriff Care gibt es (noch) keine genau passende Übersetzung, und auch weil der Gender Care Gap ein globales Problem ist, halten wir daran fest. Damit nehmen wir in Kauf, dass manche, die von uns lesen, nicht über den Namen hinauskommen, weil sie ‚Care‘ mit Haushalt oder mit Pflege gleichsetzen oder sich aus anderen Gründen nicht angesprochen fühlen. Die Seite www.equalcareday.de bietet ausführliche Informationen über die verschiedenen Fragen zum Thema!

Die „Last der Verantwortung“

Lange To-Do-List in einer DenkblaseWenn Care-Arbeit „unsichtbare“ Arbeit ist, worin kann dann noch eine Steigerung liegen? Die Mental Load, die „Last der Verantwortung“ gehört zur Care-Arbeit und ist der Anteil, der am wenigsten gesehen wird. In jedem anderen Arbeitsgebiet versteht sich von selbst, dass die Organisation der Aufgaben, ihre Planung, Verteilung und das dazugehörige Fachwissen Teil der Arbeit sind. Ohne geht es nicht. Bei Care-Arbeit ist es nicht anders und trotzdem muss immer noch erwähnt und erklärt werden, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Person die ihre „Mithilfe“ in Haushalt und Familienarbeit anbietet und der Person, die letztlich die Verantwortung trägt. Die gleiche Unterscheidung existiert genauso für Paare und in der Erwerbsarbeit.


Das EQUAL CARE Manifest (Kurzfassung)

Die professionelle, meist unterbezahlte Sorgearbeit (‚Care‘) also alle Arbeit rund um Pflege, Erziehung, Fürsorge und Haushalt wird überwiegend von Frauen geleistet (In Deutschland zu über 80%, weltweit zu zwei Dritteln). Die Arbeitsbedingungen und Löhne entsprechen dabei in keiner Weise den hohen Anforderungen, der Belastung und Verantwortung, die hier täglich erbracht werden. Ein Grund dafür ist die im internationalen Vergleich schlechte Personalbemessung bei den Pflegekräften und Hebammen in Deutschland und der andauernde Versuch, den Fachkräftemangel durch Ökonomisierung, weitere Sparmaßnahmen und durch Personal aus dem Ausland auszugleichen, sei es in öffentlichen Einrichtungen oder in der häuslichen Pflege und Betreuung.

Auch die private, unbezahlte Sorgearbeit, also die täglich anfallenden Arbeiten rund um Haushalt, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen etc. wird überwiegend von Frauen geleistet. Im Alter von 34 Jahren übernehmen Frauen mehr als doppelt soviel (110,6%) Care-Arbeit als Männer. Inbegriffen sind hier alle Arbeiten um den privaten Haushalt, also auch die Steuererklärung, Autoreparatur und Gartenarbeit, nicht mitbedacht sind dagegen Verantwortung, Wissen und Organisation (sog. ‚Mental Load‘).

Insgesamt arbeiten Frauen in Deutschland im Durchschnitt eine Stunde länger pro Tag als Männer. Da Frauen nicht nur mehr unbezahlte Sorgearbeit übernehmen und Care-Berufe mehrheitlich eher schlecht bezahlt sind, verdienen sie weniger, haben folglich geringere Rentenansprüche und insgesamt weniger Vermögen. Dadurch haben sie weniger frei verfügbare Zeit für die eigene Aus- und Fortbildung, für Netzwerke, für gesellschaftliche Teilhabe und politisches Engagement, und deshalb auch weniger Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse.

Die unfaire Verteilung und systematische Abwertung von Care-Arbeit vertieft die bestehende globale Ungleichheit zwischen arm und reich. Und die Coronavirus-Pandemie hat diese grundsätzliche Schieflage überdeutlich werden lassen, hierzulande und weltweit. Sie hat schmerzhaft spürbar gemacht, dass wir alle von der Geburt bis ans Sterbebett abhängig sind von der Care-Arbeit anderer, dass diese Arbeit unfair verteilt ist, und dass Care-Berufe nicht ihrer Systemrelevanz entsprechend honoriert werden: Je wichtiger eine Tätigkeit ist für die Gesellschaft, desto schlechter wird sie bezahlt.

Care- und Klimakrise sowie die aktuellen Erfahrungen der Coronavirus-Pandemie müssen deshalb Anlass sein, das heutige Wirtschaftsmodell gründlich zu überdenken und nachhaltig zu verändern! Um den Kreislauf zu durchbrechen aus unfairer Verteilung, mangelnder Wertschätzung, schlechter Bezahlung und fehlendem Ausgleich haben wir das Equal Care Manifest geschrieben, das die folgenden 18 Forderungen und Lösungsvorschläge enthält.

(Langversion des Manifests)

*Care

Care-Arbeit beschreibt die unbezahlten und bezahlten (re-)produktiven Tätigkeiten des Sorgens und Sich-Kümmerns, ist Fürsorge und Selbstsorge. Sie beginnt mit der Begleitung und Versorgung Neugeborener und Gebärender, reicht über die Erziehung, Bildung und Betreuung von Kindern im Vor- und Grundschulalter, die familiäre und professionelle Pflege und Unterstützung bei Krankheit oder Behinderung, über die Hilfe zur Selbsthilfe, unter Freund*innen, Nachbar*innen, im Bekanntenkreis, bis zur Altenpflege, Sterbebegleitung und Grabpflege. Der Care-Begriff, der der Equal Care Day-Initiative zugrunde liegt, meint also auch das ganz alltägliche, immer wiederkehrende Kümmern und Versorgen aller Haushaltsmitglieder, und das Wissen, die Organisation und Verantwortung (sog. ‘Mental Load’) die es dafür braucht. ‚Care‘ meint nicht nur die körpernahe Care-Arbeit, sondern schließt auch Kochen, Putzen, Reparaturen und alle Arbeiten im Haushalt mit ein, und beginnt in vielen Ländern des Globalen Südens bereits mit dem Besorgen von sauberem Trinkwasser oder Brennholz.

Scrabble: Wörter zum Begriff "Care"

Unsere Forderungen:

I – Anerkennung und Wertschätzung

  1. Die Abbildung der Wertschöpfung durch unbezahlte Care-Arbeit in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (z.B. Bruttoinlandsprodukt), da sie maßgeblich ist für den gesellschaftlichen Wohlstand.
  2. Die Entwicklung einer zusammenhängenden Strategie sowohl zur höheren Wertschätzung unbezahlter Sorgearbeit als auch zur Neubewertung und finanziellen Aufwertung von Care-Berufen (SAHGE-Berufen)
  3. Eine Vereinheitlichung der sozialen Absicherung von privater Care-Arbeit, sei es Kindererziehung, Betreuung oder Pflege, die gleichermaßen in der Alterssicherung anzuerkennen sind. Dafür muss sich die Bundesregierung auch in der Entwicklungszusammenarbeit einsetzen, z.B. über die Einrichtung eines Globalen Fonds für soziale Sicherheit, um (auch) in armen Ländern Renten, Kindergeld und Arbeitslosenunterstützung zu verbessern.
  4. Die Einführung einer finanziell abgesicherten Familienarbeitszeit und von flexiblen Zeitbudgets für geleistete Care-Arbeit für Kinder, kranke und hilfebedürftige Angehörige, gekoppelt mit einer echten Entgeltleistung (Sorgegeld, z.B. in Höhe des Elterngelds).
  5. Investitionen in allgemeine Kinderbetreuung, die Betreuung älterer Menschen und die Pflege von Menschen mit Behinderungen sowie der universelle Zugang zu gebührenfreier öffentlicher Bildung, Gesundheitsversorgung, dem Zugang zu Wasser, sanitären Einrichtungen und häuslichen Energiesystemen muss von Regierungen weltweit sichergestellt werden.

II – Faire Verteilung

  1. Die konsequente Durchsetzung bestehender Gesetze und Leitlinien auf Landes- und Bundesebene insbesondere der Pflege-Charta des BMFSFJ, der UN-Behindertenrechtskonvention und der Empfehlungen des Zweiten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung sowie das ‘Nationale Gesundheitsziel. Gesundheit rund um die Geburt’ sowie die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz wie im Koalitionsvertrag vorgesehen.
  2. Eine geschlechter-, care- und diversitätssensible Pädagogik entlang der gesamten Erziehungs- und Bildungskette. Analog zur Erwerbsbiographie muss der Aufbau einer Care-Biographie als Bildungsziel eingeführt werden.
  3. Die Unterstützung und Forderung einer gleichberechtigten Arbeitsteilung in Familien und Verantwortungsgemeinschaften durch alternative Erwerbsmodelle, z.B. eine grundsätzliche Erwerbszeitreduzierung und ein Erwerb-Sorge-Modell. Dazu gehört insbesondere, die Steuergesetzgebung (Ehegattensplitting) und unterstützende Maßnahmen (Elterngeld+) sowie eine Ausweitung der nichtübertragbaren (Basis)Elterngeldmonate.
  4. Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern unter Berücksichtigung des ursächlichen Zusammenhangs von PayGap und CareGap. Umsetzung der gesetzlich vorgeschriebenen Lohntransparenz.
  5. Übernahme von Care-Verantwortung durch privatwirtschaftliche Unternehmen. Es braucht anerkennende Maßnahmen und Leistungen, mit der private und innerbetriebliche Sorgearbeit honoriert und der Lebensunterhalt und die Gesundheit von Sorgetätigen gesichert wird.
  6. Die Lösung der eigenen Care-Krise nicht zum Nachteil anderer Nationen und Gewährleistung und Schutz der Rechte von Sorgetätigen. Ein erster notwendiger Schritt ist die Umsetzung des ILO-Übereinkommen 189 ‘Menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte’.

III – Strukturelle Unterstützung und Rahmenbedingungen

  1. Abkehr vom Primat der informellen Pflege, stattdessen Ausbau professioneller Unterstützungsangebote, um gemischte Betreuungsarrangements zu ermöglichen, so dass alle eine realistische Chance haben, ihre Erwerbsbiografie auch im Fall von auftretenden Pflegebedarfen fortzusetzen. Dafür müssen kommunale Unterstützungsstrukturen / Anlaufstellen für Care-Arbeit (z.B. nach skandinavischem Vorbild) etabliert und ausgebaut werden.
  2. Bessere Arbeitsbedingungen in allen Care-Berufen, also zum Beispiel verlässliche Personalbemessung, keine Verdichtung durch Renditeorientierung, Ausbildungsvergütung.
  3. Abkehr von Fallpauschalen und die Berücksichtigung von Folgekosten / Spätfolgen, die durch unterlassene oder unzureichende Care-Arbeit unter Ökonomisierungsdruck, entstehen. Einpreisung lebenslanger Folgekosten, deren Höhe also nicht in der Verantwortung Einzelner liegt, sondern in der strukturellen Vernachlässigung von Care.
  4. Einfluss pflegender Angehöriger auf Entscheidungsprozesse: Die Regierungen weltweit müssen die Beteiligung unbezahlter Pflegender und anderer Betroffener an Foren und Prozessen der Politikgestaltung auf allen Ebenen erleichtern und Ressourcen in die Sammlung umfassender Daten investieren, um die Auswirkungen der Politik auf die Pflegenden bewerten zu können. Dazu gehört auch der Einbezug von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen wie z.B. lokalen Frauenrechtsorganisationen.
  5. Umfassende Aufklärung von Care-Arbeiter*innen über ihre Rechte, insbesondere pflegende Angehörige, transnationale Haushaltsarbeiter*innen und YoungCarers
  6. Einfacher und legaler Zugang für alle zu haushaltsnahen Dienstleistungen durch Einführung von subventionierten Gutscheinen (wie es bereits im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschrieben ist!), um auch Haushalte mit mittleren und geringen Einkommen zu erreichen und zertifizierte Dienstleistungsbetriebe zu stärken.
  7. Den ‘Social Impact’ bei der Subventionierung von Unternehmen berücksichtigen und insbesondere bei der Vergabe von Aufträgen, öffentlichen Geldern und Krediten nachhaltige Care- und Umweltschutz-Konzepte zur Bedingung machen. Anreize schaffen für ‘fürsorgliche Unternehmen’ in Bezug auf Natur, Mitarbeitende und Konsument*innen (Corporate Social Responsibility).
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