„Schule ist wichtig – aber nicht um jeden Preis“
Gespräch mit Matthias Maex vom Bamberger Lernpunkt über die richtige Entscheidung für den Übertritt
„Schafft es unser Kind auf das Gymnasium?“ – Diese Frage stellen sich derzeit viele Eltern mit Blick auf die jetzt beginnenden Übertrittsveranstaltungen. Die richtige Frage ist: „Welche Schulform und welche Schule eignet sich für mein Kind?“, meint Matthias Maex, der in seinem Bamberger Institut Lernpunkt seit zwanzig Jahren Hausaufgabenbetreuung und Nachhilfe anbietet. Bambolino sprach mit ihm darüber, wie sich Eltern die Übertrittsentscheidung erleichtern können.
Für das beginnende Schuljahr 2017/18 erhöht die bayerische Staatsregierung die Entscheidungsfreiheit der Eltern bezüglich des Übertritts – sagt sie. Ab sofort können Eltern demnach selbst entscheiden, auf welche Schule ihr Kind nach der 4. Klasse wechselt, sofern es in dem nach wie vor verpflichtenden dreitägigen Probeunterricht in den Fächern Mathe und Deutsch mindestens die Note 4 schafft (bisher: die Noten 3 und 4). Die Elternverantwortung werde hierdurch „nachhaltig gestärkt“, meint das bayerische Kultusministerium. Tatsächlich können Eltern auch ohne den für Kinder extrem belastenden Probeunterricht entscheiden, welche Schulform die geeignete ist – und das muss im Zweifelsfall nicht unbedingt das Gymnasium sein. „Wenn sich ein Kind notenmäßig an der Grenze zwischen zwei Schulen bewegt, fangen die meisten Eltern von oben an und lassen ihr Kind lieber zurückstufen, wenn es nicht gut läuft“, erklärt Matthias Maex. „Dabei wäre es für die Schüler viel motivierender, wenn sie sich hoch entwickeln dürften.“
Schulstadt Bamberg
Dafür biete Bamberg alle Möglichkeiten, betont der versierte Institutsleiter: „Wir haben hier wirklich ALLE schulischen Möglichkeiten zur Auswahl, die es gibt. Kinder, die auf die Mittelschule gehen, können trotzdem die Mittlere Reife abschließen und sogar für das Allgemeine Abitur muss man nicht von Anfang an aufs Gymnasium gehen, sondern kann es auch über die Realschule erreichen.“ Tatsächlich finden sich in Bamberg zahlreiche weiterführende Schulangebote, sei es die gymnasiale Kurzform, der Weg über eine Wirtschaftsschule oder die Fachoberschule (FOS), die ein Abitur ermöglichen – wenn auch über Umwege. Entscheidend sei in der Übertrittsphase, so Matthias Maex, dass Eltern versuchten, ihr Kind möglichst objektiv von verschiedenen Seiten einzuschätzen. „Der Notenschnitt im Übertrittszeugnis ist dabei sicherlich eine wichtige Orientierung. Wenn der geforderte Schnitt nicht da ist, sollte man sich zumindest überlegen, woran das liegt. Denn – Noten entstehen nicht aus Versehen, auch wenn sie natürlich immer auch mit der jeweiligen Grundschule und der Lehrkraft verbunden sind.“ Wichtige Aspekte seien zudem die Lern-Motivation des Kindes und ob es gerne selbstständig weiterdenke. „Ein Kind, das schon in der Grundschule null Motivation für die Schule hat, sondern sich lieber anderen Interessen widmet, sollte man nicht unbedingt auf ein Gymnasium schicken, das durchgängig intensives Lernen am Nachmittag fordert.“
Alternativen zum Gymnasium
Freilich – Bamberg verfügt über sieben Gymnasien und lediglich zwei Realschule (eine nur für Mädchen) sowie vier Mittelschulen (von denen zwei auch Ganztagskonzepte anbieten) und als alternative Schulform die Montessori-Schule. In den angrenzenden Landkreisen finden sich weitere Gymnasien und Realschulen (u.a. in Hirschaid, Scheßlitz, Eltmann und Ebern) sowie die Waldorfschule in Haßfurt. Alternativen, die auch diejenigen Eltern prüfen sollten, bei deren Kindern der Wechsel auf das Gymnasium eine klare Sache zu sein scheint. Matthias Maex: „Bei der Entscheidung für eine Schule spielt auch der Weg dorthin eine maßgebliche Rolle. Kinder aus dem Landkreis haben häufig eine mehr als einstündige Anfahrt zu den Gymnasien in der Stadt. Das sind jeden Tag mindestens zwei Stunden Lebenszeit, die ihnen gestohlen werden, weil sie da nichts machen können: keine Hobbys, keine Freunde treffen, nichts. Und daheim warten danach noch die Hausaufgaben.“ Kritisch bewertet der Lernpunkt-Gründer die aufwändigen Präsentationen, mit denen vor allem die Gymnasien mittlerweile für ihre Schule werben. „Jede Schule stellt sich und ihre Zusatzangebote bestmöglich dar. Das ist für Eltern meistens kaum Unterstützung, weil oft die für die Entscheidung wesentlichen Aspekte, wie Eignung des Kindes für diese Schulart, darüber in den Hintergrund treten.“
Kinder brauchen Zeit
Zeit sei beim Thema Schule ein ganz entscheidender Faktor, betont der Institutsleiter, der auch davor warnt, die Kinder in der 5. und 6. Klasse sofort mit zusätzlichen Schulangeboten zu belasten. „Natürlich klingt es toll: Sporttraining, Theater-AG oder Schulchor – aber Eltern sollten doch anfangs erst einmal schauen, wie ihr Kind in der neuen Schulform überhaupt zeitlich zurechtkommt. Zumal viele Kursangebote auch zusätzliche Verpflichtungen an den Wochenenden nach sich ziehen.“ Kinder brauchen eben nicht nur Zeit für Schule und Hobbys, sondern auch freie Zeit zum Spielen – auch und gerade, wenn die Leistungsanforderungen in der Schule steigen. „Wir drücken unsere Kinder mit einem ständig gefüllten Terminkalender in unsere Erwachsenenwelt und das ist einfach unfair“, warnt der Pädagoge und nennt noch weitere Faktoren, die Eltern bei der Übertrittsentscheidung ebenfalls berücksichtigen sollten: wenn Schul- und Wohnort sehr weit voneinander entfernt sind, ist es schwieriger, Freundschaften in der Klasse aufzubauen und Treffen zu organisieren – egal, ob für die Schule oder privat. Auch wichtig – inwieweit Eltern ihr Kind zumindest in den ersten beiden Jahren beim Lernen unterstützen können. Matthias Maex: „Eltern sollten sich fragen: Was machen wir, wenn es zu Anfang in der Schule nicht läuft? Kann ich meinem Kind beim Lernstoff der 5. und 6. Klasse noch helfen und auch eine regelmäßige Hausaufgabenkontrolle gewährleisten? Eltern, die das selbst nicht schaffen, sollten sich eine entsprechende Betreuung überlegen, denn in diesen beiden Jahren lernen die Kinder, wie es läuft, damit sie es dann eigenständig beherrschen.“
Wenn es nicht läuft
Anhaltend sinkende Noten seien der letzte Indikator dafür, dass es etwas schief laufe, berichtet der Lernpunkt-Leiter. „Schlechte Zensuren in den Schulaufgaben sind das Produkt eines Versäumnisses von etwa einem Vierteljahr zurück – vorher gibt es zahlreiche weitere Hinweise.“ Dazu gehörten eine Verweigerungshaltung des Kindes und Zeichen wie morgendliche Übelkeit, wenn es zur Schule müsse, aber auch Stresssituationen in der Familie. „Wenn die Familie jeden Abend um acht Uhr noch mit den Hausaufgaben und Lernen beschäftigt ist, dann läuft etwas falsch, auch wenn die Noten noch passen.“ Ein völlig falscher Weg sei es, ein Kind durch das Gymnasium zu schleifen, möglichst noch mit Nachhilfe in mehreren Fächern, erklärt Maex geradeheraus, der entsprechend seine Nachhilfeangebote auf maximal zwei Fächer pro Schüler beschränkt. „Schule ist wichtig – aber nicht um jeden Preis“, stellt er unmissverständlich klar und berichtet von einem Mädchen aus der 7. Klasse, für das die Eltern bei ihm Nachhilfemöglichkeiten in drei Fächern abfragten, obwohl es bereits jeden Tag den Großteil seiner Zeit für das Gymnasium investierte und deutliche Überforderungssymptome sichtbar waren. Matthias Maex: „So kann man ein Kind kaputt machen.“ Nach seiner Erfahrung sei der Zeitpunkt Ende 6. Klasse, Anfang 7. Klasse auf dem Gymnasium ein entscheidender Knackpunkt. „Durch das G8 wird bereits in der 6. Klasse mit der zweiten Fremdsprache begonnen, und ab diesem frühen Zeitpunkt müssen dann zwei Sprachen komplett parallel gelernt werden, was für manche Kinder eine echte Überforderung darstellt.“
Wiederholung als hilfreicher Weg
Gibt es dabei offensichtliche Probleme, sei die Möglichkeit, die 6. Klasse freiwillig zu wiederholen ebenfalls ein hilfreicher Weg, empfiehlt der Nachhilfelehrer. „Auch wenn sich viele Kinder zunächst dagegen wehren, weil sie ihre Klasse nicht verlassen wollen, gewöhnen sie sich meist schnell ein und sind dankbar dafür, die Grundlagen wiederholen zu können und sich damit für beide Sprachen eine sichere Basis zu schaffen.“ Ein guter Zeitpunkt für diese Entscheidung seien die Allerheiligen-Ferien, empfiehlt Maex. „Wenn sich bis dahin keine deutliche Verbesserung zum vorigen Schuljahr abzeichnet, kann man bis Weihnachten die Entscheidung treffen, die Klasse freiwillig zu wiederholen. Diese Option sollten Eltern jedoch von vorneherein offen mit ihrem Kind besprechen.“ Stehe ein kompletter Schulwechsel an, etwa vom Gymnasium auf die Realschule, solle dieser auch optimalerweise zum Beginn der 7. Klasse erfolgen, da in deren Verlauf bereits die unterschiedlichen Schwerpunkt-Zweige gewählt würden, die einen späteren Wechsel verkomplizierten. Grundsätzlich sei bei jeder Entscheidung für die Schullaufbahn des Kindes ein Blick auf seine Persönlichkeit entscheidend, stellt Matthias Maex fest. „Alle Eltern sind vor die Aufgabe gestellt für sich herauszufinden, welches der beste Weg für ihr Kind und auch für die ganze Familie ist. Und das ist eine wirklich große Aufgabe.“
Kerstin Bönisch
Hilfreiche Fragestellungen zur Übertrittsentscheidung:
Was sagt uns der Notendurchschnitt?
Welche Art von Mensch ist mein Kind?
Wie lang wird der Schulweg sein?
Können wir unserem Kind im Gymnasium noch weiterhelfen?
Schafft es unser Kind, zwei oder drei Fremdsprachen zu lernen?
Welche verschiedenen Möglichkeiten gibt es für unsere Familie?
Links zur Übertrittsentscheidung:
Schulstadt Bamberg: www.stadt.bamberg.de/index.phtml?NavID=1829.64&La=1
Weitere Infos finden Sie unter www.bambolino-online.de!